Das 1,5-Grad-Ziel – Was würde eine Erhöhung der Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur um weitere 0,5 Grad Celsius bedeuten? (von Benjamin Kraus)

Im Jahr 2015 wurde bei der 21. UN-Klimakonferenz, auch Pariser Klimagipfel genannt, das 1,5-Grad-Ziel, also die Beschränkung des Anstiegs der globalen Erdtemperatur auf 1,5 Grad Celsius, beschlossen und völkerrechtlich von fast allen Staaten anerkannt. Die ursprüngliche Begrenzung auf 2 Grad wird nicht mehr als ausreichend angesehen. Diese 1,5 bzw. 2 Grad beziehen sich auf den Anstieg der Temperatur durch den menschengemachten Klimawandel seit Beginn der Industrialisierung. Diese Begrenzung ist für den Klimaschutz von enormer Wichtigkeit, um katastrophale Folgen für Mensch und Natur zu verhindern bzw. zu minimieren.

Doch was bedeutet ein Anstieg um 0,5 Grad? Das klingt erstmal wenig und man kann sich nicht viel darunter vorstellen. Da die globale Erdtemperatur einen Durchschnitt darstellt, gibt es in manchen Gegenden mehr oder weniger starke Auswirkungen der Klimaerwärmung. Der Trend aber ist ansteigend.Bevor die verschiedenen Auswirkungen des Temperaturanstiegs von 0,5 Grad im Detail beschrieben werden, ist es wichtig festzuhalten, dass die Natur als großes System aus verschiedenen Untersystemen besteht.  Diese stehen  in komplexer Wechselwirkung zueinander. . Ein kleines Beispiel kann  verdeutlichen, wie stark die Auswirkungen eines scheinbar kleinen Temperaturanstiegs sein können: Der menschliche Körper hat eine durchschnittliche Temperatur von 36-37 Grad. Erhöht sich diese auf über 38 Grad, spricht man von Fieber. Hier kann also ein geringer Temperaturanstieg dafür sorgen, dass man sich richtig mies fühlt. Steigt die Temperatur auf über 40 Grad an, kann es kritisch werden, körpereigene Eiweiße können ihre Struktur verändern und Organe und Gewebe können geschädigt werden, was bis zum Tod führen kann. Ein paar Grad können hier also den Unterschied zwischen gut oder mies fühlen und mies fühlen oder  Tod bedeuten. Da das komplexe System des menschlichen Körpers aus seinem Gleichgewicht gebracht ist. Diese Metapher ist nicht eins-zu-eins analog zum Klimawandel, aber soll verdeutlichen, dass hier komplexe Systeme verändert werden, was zu dramatischen Konsequenzen in den dazugehörigen Subsystemen führen kann.

Der Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad Erderwärmung

Ein halbes Grad mehr Anstieg der Durchschnittstemperatur hat Auswirkungen auf die Häufigkeit der Maximaltemperaturen in Europa, demgemäß auch auf Hitzewellen und Dürren, auf Überschwemmungen und Extremwetterereignisse, auf den Anstieg des Meeresspiegels, auf die Eisschmelze, das Artensterben und die Anzahl von Klimaflüchtlingen. Diese negativen Folgen  stehen wiederum in weiterer Wechselwirkung. Die Eisschmelze am Nordpol und die Ausdehnung des Meerwassers durch höhere Temperaturen haben den Anstieg des Meeresspiegels zur Folge. Und dieser verursacht durch das Verschwinden von Landflächen und damit Lebensraum sowie durch das Unbrauchbarwerden von Ackerflächen durch Versalzung eine steigende Anzahl an Klimaflüchtlingen.

Außerdem gibt es im Klimasystem Kipppunkte, an denen sich Veränderungen in einem Untersystem ab einer bestimmten Schwelle dominoartig auf andere Untersysteme oder das Klimasystem als Ganzes auswirken. Etwa wenn der Permafrost als riesiger Kohlenstoffspeicher auftaut und dadurch hohe Mengen an Kohlenstoff und Methan in die Atmosphäre gelangen, welche wiederum den Temperaturanstieg ankurbeln. Oder wenn der Amazonas-Regenwald durch Raubbau, Hitze und Dürre mehr und mehr abstirbt und somit weniger Kohlenstoff aufnehmen und umwandeln kann.

Im Folgenden sollen die Auswirkungen auf die verschiedenen Unterbereiche kurz skizziert werden:

Maximaltemperaturen in Europa: Die höchsten Temperaturen, die innerhalb eines Jahres erreicht werden, würden von 3-4 Grad auf 5 Grad steigen. Dies kann sich auch unmittelbar auf die Ernährungsunsicherheit auswirken, etwa wenn Ernten ausbleiben oder karger werden.

Hitzewellen: Die Wahrscheinlichkeit jedes Jahr Hitzerekorde wie aus dem Jahr 2016 zu erleben würde von 52% auf 88% steigen; also in  9 von 10 Jahren Hitzerekorde statt bisher nur jedes 2. Jahr. Die Wahrscheinlichkeit für Hitzewellen, wie jene aus 2003 mit zehntausenden Toten, würde von 42% auf 59% steigen. Weltweit würde sich die Zahl der Menschen, die mehrmals in ihrem Leben einer extremen Hitzeperiode ausgesetzt sind, mehr als verdoppeln.

Dürren und Wassermangel: In Mitteleuropa würden die Dürremonate von 2,6 auf 2,8 ansteigen; im Mittelmeerraum von 3,2 auf 3,7. Dies kann durch die Auswirkung auf Grundwasser auch zu regionalem Wassermangel führen. Weltweit würde die Anzahl von Menschen, die im urbanen Raum von Wassermangel betroffen sind, von 50 Millionen auf 410 Millionen steigen.

Überschwemmungen und Extremwetterereignisse: Durch starke Niederschläge würde das Risiko für Überschwemmungen, also die Flutung von Landflächen durch Hochwasser, an Flüssen weltweit flächenanteilsmäßig von 11% auf 21% steigen. Das Hochwasserrisiko würde von 100% bei 1,5 Grad auf 170% bei 2 Grad ansteigen.

Anstieg des Meeresspiegels: Der mittlere Meeresspiegel weltweit würde von 4 mm pro Jahr auf 5,5 mm ansteigen. Besonders dramatisch wären regionale Unterschiede, z.B. würde der Meeresspiegel an der Nordsee von 34 cm auf 53 cm steigen.

Eisschmelze am Nordpol: Alle 3-5 Jahre würde das Nordpolarmeer am Ende des arktischen Sommers bereits eisfrei sein, statt wie bisher nur alle 20 Jahre.

Artensterben: Doppelt so viele Pflanzenarten würden mehr als  die Hälfte ihres Verbreitungsgebiets verlieren, ebenso bei Wirbeltieren. Bei Insekten wären es sogar dreimal so viele. Bei Korallenriffen würde sich das Risiko des Absterbens weltweit von 70-90% auf 98-99% erhöhen.

Fazit:

Aus dem Beschriebenen wird deutlich, dass ein halbes Grad viel und zum Teil sehr viel ausmacht und es sich bei der Beschränkung der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad um Schadensbegrenzung handelt. Die Folgen für Ökosysteme wirken sich wiederum, etwa durch Hitzewellen, Wassermangel und Ernährungsunsicherheit, auf die Lebensqualität und Unversehrtheit von Menschen aus. Betroffen ist nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Bewohnbarkeit von  Lebensräumen. Insofern kann man Klimaschutz auch als Menschenschutz verstehen.

Weiters stehen jene erwähnten Untersysteme in Wechselwirkung miteinander, sodass sich die Auswirkungen des Klimawandels an bestimmten Kipppunkten dominoartig verstärken. Dies unterstreicht wiederum die Dringlichkeit von politischem Aktivismus, um Druck auf die Politik auszuüben, die vereinbarten Ziele auch einzuhalten und ernsthaft tätig zu werden.

Quellen: IPCC, 2018: Frequently Asked Questions. In: Global Warming of 1.5 °C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5 °C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty [V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H. O. Pörtner, D. Roberts, J. Skea, P. R. Shukla,A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J. B. R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M. I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, T. Waterfield (eds.)]. World Meteorological Organization, Geneva, Switzerland.


Benjamin Kraus (MA)

Durch mein Philosophiestudium habe ich die Neugierde schätzen gelernt und meine Passion für das Schreiben entdeckt. Neugierde hat etwas Kindliches, aber ich finde es wichtig, diese auch im Erwachsenenalter zu kultivieren. Ich lese mich gerne in neue Themengebiete ein und mir gefällt es, komplexe Sachverhalte verständlich, aber nicht verkürzt, zu erklären. Außerdem ist mir die Umwelt wichtig und in dieser Tätigkeit als Blogautor kann ich all jene Punkte wunderbar verbinden.

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