Woran scheitert umweltfreundliches Handeln?
Zunächst soll angemerkt werden, dass die Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels nicht ausschließlich in der Hand von Einzelpersonen liegt. Der Gesetzgeber ist in der Verantwortung, durch Reformen und Gesetzesänderungen entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, dass etwa Treibhausgasemissionen auf systemischer Ebene zielgerichtet minimiert werden können.
Dennoch hat das Verhalten jedes Einzelnen Auswirkungen. Jedoch fällt es uns oft schwer, auch wenn wir die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit des Klimawandels anerkennen, unseren Überzeugungen entsprechend umweltbewusst zu handeln. Neben der Tatsache, dass Menschen unterschiedlich strikt im Umgang mit ihren moralischen Prinzipien sind, liegt dies unter anderem daran, dass unsere Psyche bestimmten Mechanismen unterliegt, die uns dies schwer machen. Die Psychologie bietet hierzu vielerlei Erklärungsansätze, aus welchen im Folgenden ein Auszug behandelt wird.
Kognitive Dissonanztheorie
Grob gesagt besagt die Theorie der kognitiven Dissonanz von Leon Festinger, dass es einen unangenehmen Spannungszustand (= Dissonanz) auslöst, wenn Menschen verschiedene miteinander unvereinbare Kognitionen haben bzw. wenn Kognitionen und Verhalten im Widerspruch stehen. Was sind nun Kognitionen? Kognitionen sind mentale Ereignisse wie Wahrnehmungen, Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten. Dissonanz ist also ein als unangenehm empfundener Spannungszustand, und wird erzeugt, wenn z.B. Einstellungen und Verhalten nicht übereinstimmen und motiviert Menschen diesen Zustand aufzulösen.
Die Theorie besagt nun, dass Menschen grob drei Wege haben diesen Spannungszustand aufzulösen: 1) eine Änderung des Verhaltens; 2) der Versuch der Rechtfertigung des Verhaltens durch Verändern oder Abziehen dissonanter Kognitionen z.B. durch Verdrängen, Ignorieren oder Vergessen und 3) der Versuch der Rechtfertigung des Verhaltens durch das Hinzufügen neuer konsonanter, also übereinstimmender, Kognitionen. Häufig wird der Spannungszustand nicht durch eine Änderung des Verhaltens aufgelöst, sondern durch eine Rechtfertigung des Verhaltens durch Hinzufügen/Abziehen von Kognitionen oder das Ignorieren relevanter Informationen. Um das Beschriebene anschaulicher zu machen, soll dies an einem Beispiel erläutert werden:
Angenommen ich sehe mich selbst als umweltbewusste Person, die umweltfreundlich handeln will, aber ich plane eine Reise per Flugzeug in den Urlaub, obwohl ich weiß, dass dies Emissionen ausstößt und schlecht für das Klima ist. Dieses geplante Verhalten und meine Überzeugungen lösen nun den dissonanten Spannungszustand aus und ich fühle mich schlecht.
Um den Spannungszustand aufzulösen, könnte ich 1) die Reise mit dem Zug antreten oder gar nicht auf Urlaub fahren. Ich könnte 2) dissonante Kognitionen abziehen durch Gedanken wie „CO2 ist gar nicht so schlimm für das Klima, Methan ist schlimmer also ist es wichtiger sich gegen die Massentierhaltung von Rindern, da diese Methan ausstoßen, einzusetzen und keine tierischen Produkte zu konsumieren als nicht mit dem Flugzeug zu fliegen“ und trotzdem fliegen. Ich könnte 3) neue konsonante Kognitionen hinzufügen wie „Ich ernähre mich vegetarisch, habe kein Auto und fahre viel mit dem Fahrrad, also mache ich eh schon sehr viel, sodass eine Flugreise nicht so sehr ins Gewicht fällt“ und trotzdem fliegen. Das Problem klimaschädlichen Handelns liegt demnach wie beschrieben eben darin, dass das Verhalten oftmals selbstwertdienlich gerechtfertigt wird, anstatt es zu ändern.
Systemrechtfertigungstheorie und der Glaube an eine gerechte Welt
Die Theorie der Systemrechtfertigung, auch system justification theory, besagt, dass Menschen tendenziell dazu bestrebt sind ein positives Bild der Gesellschaft, in der sie leben, aufrechtzuerhalten. Ähnlich wie Menschen dazu bestrebt sind ein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten. Dies ist unter anderem durch unser Bedürfnis nach Ordnung, Stabilität und Sicherheit motiviert und erfüllt eine schützende Funktion. Die Existenz des Klimawandels oder die Ernsthaftigkeit dessen anzuerkennen würde bei Menschen mit hoher Ausprägung in Systemrechtfertigung dieses positive Bild beschädigen. Das führt dann dazu, dass jene Menschen sich weniger klimafreundlich verhalten und policies weniger stark unterstützen. Quasi nach dem Motto „Was nicht sein darf ist nicht so, es hat bis jetzt so funktioniert und wird auch weiter so funktionieren” oder “so schlimm wird es schon nicht werden.“ Solche Einstellungen können mitunter erklären, wieso klimafreundliche politische in gewissen Kreisen so wenig Zustimmung finden.
Ähnlich besagt die Theorie des Glaubens an eine gerechte Welt, auch just world belief (JWB), dass Menschen dazu tendieren, die Welt als geordnet, vorhersagbar und fair zu interpretieren, sodass jeder bekommt, was er verdient. Dies hilft dabei, mit Kummer und Unsicherheit umzugehen. Menschen mit einer hohen Ausprägung im Glauben an eine gerechte Welt neigen daher eher dazu, den Klimawandel bzw. dessen ernsthafte Konsequenzen zu leugnen oder bei Anerkennung der Existenz des Klimawandels, dazu sich weniger klimafreundlich zu verhalten.
Die Tragik des Allgemeinguts und das Trittbrettfahrerproblem
Das Konzept der Tragik des Allgemeinguts, auch Tragik der Allmende (tragedy of the commons) beschreibt das Dilemma, dass begrenzte, gemeinschaftlich genutzte Ressourcen durch individuelle Übernutzung erschöpft werden. Dass also das Streben nach maximalem Profit und Eigennutzen einzelner Akteure zum Schaden der gesamten Gemeinschaft führen kann, da materielle Ressourcen erschöpft oder zerstört werden können. Im Falle des Klimawandels ist das Klima bzw. die Erdatmosphäre das geteilte Gut, dass von bestimmten Akteuren und Systemen eigennützig soweit ausgebeutet wird, dass dies dann zu Lasten der Allgemeinheit führt. Das Dilemma besteht nun darin, dass es „rational“ im Interesse von einzelnen Akteuren oder Systemen ist die natürlichen Ressourcen soweit auszubeuten, etwa durch massives Ausstoßen von Treibhaugasen oder Gewinnung von fossilen Energieträgern, dass man selbst maximal profitiert, wobei der Gewinn nur Einzelnen zugutekommt, während die Gesamtheit dann an den Folgen ebenjener Ausbeutung zu leiden hat.
Das Trittbrettfahrerproblem, auch free rider problem, beschreibt ein Problem kollektiven Handelns bzw. ein ökonomisches Problem Gemeingüter betreffend. Grob gesagt beschreibt es das Phänomen, dass Menschen von einer Leistung profitieren, ohne dafür zu bezahlen. Wie wenn jemand ohne Ticket mit dem Zug fährt – In Bezug auf den Klimawandel bedeutet dies, dass Individuen sich nicht klimafreundlich verhalten, weil sie denken, dass es reicht, wenn genug andere das tun. Dass sie zwar das Problem des Klimawandels und die Dringlichkeit des Tätigwerdens anerkennen aber selbst nicht auf bestimmte Dinge verzichten, mit dem Gedanken, dass es reicht, wenn es genügend andere tun. Damit wird also versucht, sich selbst quasi auf Kosten anderer einen Vorteil zu verschaffen. Dabei wäre es für die Gesamtheit am besten, wenn jeder ein wenig verzichten würde, als wenn einige wenige sehr viel verzichten.
Hiermit können auch Argumente wie das sogenannte “China-Argument” erklärt werden, welches mit dem Hinweis auf andere Länder mit großem Emissionsausstoß, wie etwa China, das eigene Untätig sein zu rechtfertigen versucht. Nach dem Motto: “Wenn China wenig für den Klimaschutz tut und dabei auch noch wirtschaftlich profitiert, wieso sollten wir dann viel tun und uns damit einschränken?”. Dieses Argument hinkt jedoch an vielen Stellen, da es zum Beispiel einen Whataboutismus, also eine Ablenkung vom eigenen Handeln, darstellt und auch empirisch nicht gerechtfertigt ist, weil China ein flächen- und bevölkerungsmäßig sehr großes Land ist, die Emissionen pro Kopf aber mit jenen Österreichs vergleichbar ist.
Fazit
Der hier vorgestellte Auszug psychologischer Theorien zeigt auf, wieso es uns oft schwer fällt klimafreundlich zu handeln. Ein Bewusstsein jener Mechanismen kann dabei helfen, sie ein Stück weit zu überwinden, jedoch haben sich diese Strukturen evolutionär entwickelt und erfüllen eine Funktion, sodass sie nicht oder zumindest nicht auf die Schnelle verändert werden können. Für die Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels bedeutet dies, dass die Verantwortung nicht alleinig oder überwiegend auf Individuen umgelegt werden sollte, sondern dass es wichtig ist auf Systemebene vom Gesetzgeber entsprechende Strukturen zu schaffen, die Anreize für klimafreundliches Handeln setzen und dieses einfacher bzw. unumgänglich machen. Daher kommt dem Aktivismus eine bedeutende Rolle zu um den Gesetzgeber durch politischen Druck dazu zu bewegen den Willen der Mehrheit umzusetzen und im Sinne des Gemeinwohls tätig zu werden.
Quellen:
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Loewenstein, G., & Schwartz, D. (2010). Nothing to Fear but a Lack of Fear: Climate Change and the Fear Deficit. Summit 2010, G8/G20.
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