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Fleisch­konsum

Schon seit Jahrhun­derten ist der Genuss von Essen für viele Menschen weit mehr als eine körper­liche Notwen­digkeit. Die Zubereitung und der Verzehr von Nahrung haben sich zu einem Ritual entwi­ckelt, das sich nicht nur kultur­ab­hängig stark unter­scheidet, sondern auch zum Symbol für gesell­schaft­lichen Stand, Familie und Bräuche geworden ist.[1] Einen wesent­lichen Bestandteil dieser Essens­kultur stellt der Konsum von Fleisch dar. Doch in den letzten Jahrzehnten werden Stimmen immer lauter, die eine Einstellung der Fleisch­pro­duktion fordern. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, wie es zu diesem Punkt gekommen ist und welchen Teil die Produktion des Nahrungs­mittels tatsächlich zum Klima­wandel beiträgt.

Geschichte

Es lässt sich davon ausgehen, dass mit Beginn des mensch­lichen Lebens auch die Entwicklung des Fleisch­konsums begann. Anfangs wurde dieses nur dann gegessen, wenn es von anderen Tieren überge­lassen worden war, später gingen die Urmen­schen auf die Jagd.[2] Mit Entde­ckung des Feuers wurde Fleisch von einer reinen Nahrungs­quelle zum Genuss­produkt. Vor ca. 12 000 Jahren begann dann schließlich auch die Tierzucht im Zuge der Sesshaft­werdung der Menschen. Schon zu diesem Zeitpunkt war der Verzehr von tieri­schen Produkten ein Ritual, das sich bis ins Mittel­alter erhielt. So gab es neben Tänzen und Gesängen auch oft Opfer­gaben als Dank an die Götter.[3] Zudem wurde jeder Teil des tieri­schen Körpers verwertet, Fell konnte als Decke oder Dach einge­setzt werden, Knochen zur Herstellung von Werkzeug und Muskeln, Fett und Organe zum Verzehr. Fleisch war ein Luxusgut, das nicht allen Menschen zugänglich war und somit schon bald zu einem Zeichen von Wohlstand wurde.[4]

Der Konsum wie wir ihn heute kennen setzte jedoch erst mit Beginn der Indus­tria­li­sierung ein. Die Nachfrage nach Fleisch stieg konti­nu­ierlich an und in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wurde billiges Schwei­ne­fleisch zur Massenware. Durch die Weltkriege ebbte auch dies aller­dings wieder ab, viele Menschen litten Hunger, nur wenige konnten sich den Konsum von Fleisch leisten. Mit Ende der Nachkriegszeit schoss der Fleisch­konsum rasant nach oben. Seinen Höhepunkt erreichte dies in den 1990er Jahren mit über 90 kg Fleisch pro Kopf und Jahr. Kochen und Grillen wurde zur Freizeit­be­schäf­tigung, Fleisch war für alle frei zugänglich und wurde billig als Massenware angeboten. Dies führte auch zur Moder­ni­sierung der Futter­mit­tel­her­stellung und Tierhaltung sowie in den meisten Fällen zu einer Minderung in der Qualität. Heutzutage ist Fleisch in Mittel­europa schon lange kein Zeichen mehr von Wohlstand und wird auch vermehrt von ärmeren Bevöl­ke­rungs­schichten konsumiert.[5]

Fleisch­konsum in Zahlen

Aus den geschicht­lichen Entwick­lungen lässt sich entnehmen, dass die Menge an Fleisch von vielen gesell­schaft­lichen Faktoren abhängig ist. So essen Männer statis­tisch gesehen mehr Fleisch als Frauen, ältere Menschen mehr als Jüngere. Weltweit liegt der jährliche Fleisch­konsum pro Kopf und Jahr bei rund 42 Kilogramm, wobei hier die USA mit 120 kg Spitzen­reiter sind. In den nächsten Jahren ist vor allem aus den Schwel­len­ländern durch den größer werdenden gesell­schaft­lichen Wohlstand noch ein Anstieg zu erwarten.[6] Es werden derzeit 24 Milli­arden Nutztiere gehalten und pro Jahr 66 Milli­arden geschlachtet, wovon 94% aus Massen­tier­haltung stammen.[7] Durch diese wird die Tierhaltung wirtschaftlich gesehen optimiert, da möglichst viele Tiere auf möglichst kleinstem Raum gehalten werden.[8] Alleine in Öster­reich werden 108 Millionen Tiere zu Ernäh­rungs­zwecken gehalten.[9] Rund 80% aller landwirt­schaftlich genutzten Flächen werden für die Produktion von Viehfutter einge­setzt, 44% der Getrei­de­ernten für Viehfutter in der Fleischerzeugung.[10]

Auswirkung auf die Umwelt

Neben den ethischen Aspekten des Fleisch­konsums, zu denen neben der Tötung von Lebewesen vor allem auch die Verein­heit­li­chung der Gesell­schaft durch den Konsum von Massen­pro­dukten zählt, stellt die Herstellung der Lebens­mittel auch klima­tisch ein großes Problem dar.[11] Rund 18% der weltweiten Treib­haus­gas­emis­sionen stammen aus dem Sektor der Tierhaltung, der Fleisch­konsum macht davon mit 2 836,8 Millionen Tonnen an CO2 Äquiva­lenten einen großen Teil aus und ist damit einer der Haupt­ver­ur­sacher für die weltweite Erderwärmung.[12]

Durch den nicht nachhal­tigen Anbau der Futter­mittel durch Monokul­turen und den Einsatz von Pesti­ziden, werden die Lebens­räume vieler Tier- und Pflan­zen­arten zerstört. Zudem werden auf Grund des benötigten Platzes Regen­wälder abgeholzt und ansässige Bauern vertrieben. Viele Tierrassen sind auch nicht für diese Art der Tierhaltung geeignet und verschwinden aus diesem Grund langsam. Auf diese Weise sind bereits 9% der Nutztier­rassen ausge­storben. Somit wird also nicht nur die Gesundheit der Nutztiere an sich bedroht, sondern auch die Mensch­liche, da den Tieren zur Vorbeugung von Krank­heiten oftmals Antibiotika verab­reicht werden.[13]

Durch die Tierhaltung werden aber auch direkt Chemi­kalien in Luft und Wasser abgegeben. Massen an Tieren bedeuten auch Massen an Ausschei­dungen, diese enthalten unter anderem Substanzen wie Ammoniak und Nitrat. Gase wie Distick­stoff­monoxid sind beispiels­weise für den Abbau der Ozonschicht verant­wortlich. Diese Ausschei­dungen sind auch für die Trink­was­ser­ver­schmutzung und Versauerung des Bodens verantwortlich.[14] Es sind zudem große Mengen an Wasser für die Fleisch­pro­duktion benötigt — alleine 15 415 Kubik­meter Wasser für eine Tonne Rindfleisch. Gerade auf Grund der Wasser­knappheit und zusätz­licher Wasser­ver­schmutzung ist eine solche Menge für viele Länder schwer zu beschaffen.[15] Ein weiterer Entschei­dender Faktor für die Ökobilanz der Fleisch­in­dustrie ist die direkte Verknüpfung mit dem Transport-Sektor. Denn Länder wie Öster­reich oder sind nicht in der Lage alle Futter­mittel herzu­stellen und zählen daher auf Importe aus anderen Ländern, dies erhöht wiederrum den CO2 Ausstoß.[16]

Lösungen

Es wäre eine Utopie anzunehmen, dass alle Menschen von einem Tag auf den anderen auf Fleisch verzichten. Würden sich aber dennoch alle Österreicher*innen vegeta­risch ernähren, könnten die Emissionen um die Hälfte reduziert werden, bei veganer Ernährung sogar um knapp 70%. Schon etwas realis­ti­scher klingt eine Reduktion des Fleisch­konsums auf 19,5 kg pro Jahr und Person, dies hätte zur Folge, dass rund 64 Millionen Nutztiere weniger gezüchtet werden müssten, etwa 140 000 Hektar mehr an Landfläche zur Verfügung stehen würde und es zu einer 28%igen Einsparung der THG-Emissionen käme.[17]

Einen anderen Lösungs­ansatz stellt das sogenannte „In-Vitro-Fleisch“ dar. Gemeint ist damit die künst­liche Herstellung von biolo­gi­schem Gewebe im Labor. Dafür werden Tieren Muskel­stamm­zellen entnommen und künstlich vermehrt, bis Mengen erzeugt werden können, die groß genug für Fleisch­speisen sind. Dieser Ansatz ist aller­dings noch in seinen Babyschuhen, da der Prozess momentan noch sehr lange dauert und damit nur kleine Mengen an Produkten produ­ziert werden können.[18]

Fazit

Obwohl es bereits jetzt viele Stimmen gibt, die sich gegen den Konsum von Fleisch aussprechen, steigt dieser immer weiter an. Nicht nur die Tierhaltung selbst, sondern auch die Futter­mit­tel­pro­duktion sorgen dafür, dass Tierhaltung rund 18% der Gesamt­emis­sionen ausmachen und damit den Fortschritt in Sachen Maßnahmen gegen den Klima­wandel stark verlangsamt.[19] Daher müssen dringend Verhal­tens­weisen hinter­fragt und Lösungen gefunden werden. Solche können ein Umstieg auf vegeta­rische Speisen, Veganismus, aber auch der Verzehr von Fleisch in gerin­geren Mengen sein. Weniger Fleisch einer besseren Qualität und daher höheren Preisen ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Zudem könnten strengere Richt­linien der Regie­rungen einen großen Beitrag zur CO2 Reduktion leisten.

Quellen

  • Arena, Luana/Cornelius, Annekathrin/Schumacher, Tim. Fleisch? Nein, danke! Vegeta­rische Strömungen gegen den Klima­wandel. In: Klima­wandel sozio­lo­gisch: Probleme, Lösungen, Verar­beitung.

https://www.soziologie.uni-freiburg.de/personen/degele/dokumente-lehre/kompendium-gruppenhausarbeiten-klimawandel-sose2010‑1–1.pdf#page=76 [Zugriff: 8.2.2023]

  • Böhm, Inge/ Ferrari, Arianna/ Woll, Silvia. Karlsruhe 2017. IN-Vitro-Fleisch. Eine technische Vision zur Lösung der Probleme der heutigen Fleisch­pro­duktion und des Fleisch­konsums?. Institut für Technik­fol­gen­ab­schätzung und System­analyse.
  • Dirscherl, Clemens. Waldenburg-Hohebuch 2013. Berichte über Landwirt­schaft. Zeitschrift für Agrar­po­litik und Landwirt­schaft. Bundes­mi­nis­terium für Ernährung, Landwirt­schaft und Verbrau­cher­schutz.

https://buel.bmel.de/index.php/buel/article/view/32/Dirscherl-91_3.pdf [Zugriff: 8.2.2023]

  • Hirsch­felder, Gunther. 2021. Vom Wohlstand- zum Krisen­symbol. Eine Kultur­ge­schichte des Nahrungs­mittels Fleisch. Bpb.

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/fleisch-2021/344826/vom-wohlstands-zum-krisensymbol/ [Zugriff: 8.2.2023]

https://www.derstandard.at/story/2000140131677/fleischkonsum-am-wendepunkt-retten-vegetarier-das-klima [Zugriff: 8.2.2023]

  • Schlatzer, Martin. Wien 2011. Tierpro­duktion und Klima­wandel. Ein wissen­schaft­licher Diskurs zum Einfluss der Ernährung auf Umwelt und Klima. Lit Verlag.
  • Stein­brecher, Lukas. Salzburg 2021. Wie das soziale Umfeld unser Verhalten prägt: Kognitive Dissonanz im Fleisch­konsum. Paris-Lodron-Univer­sität Salzburg.

https://eplus.uni-salzburg.at/obvusbhs/content/titleinfo/8026354/full.pdf [Zugriff 6.2.2023]

  • Stoll-Kleemann, Susanne. München 2014. Fleisch­konsum im 21.Jahrhundert — ein Thema für die human­öko­lo­gische Forschung. Oekom Verlag — Gesell­schaft für ökolo­gische Kommu­ni­kation mbH.

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