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Selbst­ver­sorgung in der Stadt

Gemein­schafts­gärten und Gärtnern auf Balkon und Terrasse — Selbst­ver­sorgung im 7. Stock — ist das überhaupt möglich?

Wenn wir an Selbst­ver­sorgung denken, haben die meisten von uns mit großer Wahrschein­lichkeit ein Haus mit großem Garten oder einen Bauernhof mit viel landwirt­schaft­licher Nutzfläche und etlichen Nutztieren vor Augen. Doch Selbst­ver­sorgung geht auch im urbanen Raum! Es gibt verschie­denste Möglich­keiten, sich auch in der Stadt selbst mit frischem Obst, Gemüse und Kräutern zu versorgen. seinen eigenen Dünger und Kompost herzu­stellen und auf Balkon und Terrasse die Biodi­ver­sität zu fördern und Arten­schutz zu betreiben. 

Gemeinsam statt einsam — Nachbar­schafts­gärten:

Eine Möglichkeit sind sogenannte Gemein­schafts- oder Nachbar­schafts­gärten, in denen Anwohner mitein­ander Gemüse und Obst anbauen. Bei diesen Projekten steht neben dem Gärtnern vor allem das soziale Mitein­ander im Fokus. Man wohnt nicht mehr anonym neben­ein­ander, sondern lernt seine Nachbarn kennen. Das stärkt die Gemein­schaft und es können weitere Projekte wie z.B eine Kleider­tausch Aktion, ein Reparatur Cafe oder Ähnliches entstehen. Ein weiterer Vorteil des Gemein­schafts­gartens ist, dass erfahrene Gärtner, Anfängern unter die Arme greifen und ihr Wissen weiter vermitteln können. So können Anfän­ger­fehler vermieden und Erfolge gefeiert werden. Außerdem müssen Anschaf­fungs­kosten für Garten­werkzeug,  Erde oder Saatgut nicht von den Mitwir­kenden einzeln getragen werden, sondern werden auf die Mitglieder aufge­teilt. Wer nicht  weiß wo und ob es in seiner/ihrer Nähe bereits Gemein­schafts­gärten gibt kann sich unter anderem hier schlau machen: http://www.gartenpolylog.org/gartenkarte

Gärtnern auf Balkon und Terrasse:

Wer in seiner Umgebung keine Möglichkeit zum gemein­schaft­lichen Gärtnern hat, kann natürlich auch direkt auf dem eigenen Balkon, Terrasse oder auch am Fenster­brett gärtnern. Auch wenn nur wenig Fläche zur Verfügung steht, kann ein eigener Kräuter­garten, eine Blühland­schaft oder ein kleiner Obst- und Gemüse­garten entstehen. 

Beim Gärtnern am Balkon muss man für eine reiche Ernte aller­dings auf ein paar Dinge achten. Vor allem die Lage — Sonnen, Licht/Schatten–  und Windver­hält­nisse müssen berück­sichtigt werden. Balkone in höheren Stock­werken sind oft kräftigen Windstößen ausge­setzt. Hier unbedingt darauf achten, dass Pflanz­gefäße gut befestigt sind und die Erde immer feucht gehalten bzw. mit Mulch­ma­terial abgedeckt wird, damit die Windböen diese nicht so leicht austrocknen können. Je nach Lage ist der Balkon zeitweise oder ganztags schattig oder in der prallen Sonne. Um eine reiche Ernte einzu­fahren, darauf achten, welche Sorten die Sonne lieben und welche Sorten eher im schat­tigen Teil des Balkons stehen sollten. Wenn die Sonne im Hochsommer die Pflanzen verbrennen würde, ist oft eine Beschattung notwendig. Hier kann ein Sonnen­schirm oder auch Rankpflanzen, wie zum Beispiel Stangen­bohnen, Abhilfe schaffen. Die Bohnen bilden sozusagen einen lebenden Schutz­vorhang für die darunter wachsenden Gemüse Pflänzchen.

Planen mit allem was da ist:

Bevor der Balkon/die Terrasse bepflanzt wird, sollte man die zur Verfügung stehende Fläche mit allen bereits vorhan­denen Objekten maßstabs­getreu aufzeichnen. Die geplanten Töpfe, Pflanz­tröge, Hochbeet (Achtung Statik), Sitzgruppe, Rankpflanzen, Miniteich, etc… können nun einge­zeichnet oder aus Karton ausge­schnitten  und aufgelegt werden. Solange am Plan feilen, bis jedes Element den besten Platz gefunden hat. Durch die Planung bekommt man ein Gefühl für die verschie­denen Möglich­keiten und kann besser einge­schätzt werden, welche Ressourcen benötigt werden.  Besten­falls können Dinge verwendet werden, die bereits vor Ort vorhanden sind und nicht neu gekauft werden müssen. Als Pflanz­gefäße eignen sich unter anderem alte Kübel, Kisten, Säcke, Dosen, Schüsseln, etc… Auch am Flohmarkt oder in der lokalen Willgeben Gruppe gibt es oft das ein oder andere Schnäppchen. Hochbeete können aus alten Paletten oder ander­wei­tigem Altholz zusam­men­ge­zimmert werden. Wichtig ist, dass alle Gefäße über Löcher im Boden verfügen, damit sich keine Staunässe bildet und überflüs­siges Wasser abrinnen kann. 

Dreidi­men­sional Gärtnern

Da am Balkon nur wenig Platz zur Verfügung steht,  ist es wichtig, nicht nur horizontal, sondern auch vertikal zu denken. Neben den bereits erwähnten Kletter­pflanzen (Kletter­hilfe aus Bast nicht vergessen) können Tröge in Hänge­vor­rich­tungen aufge­hängt oder vertikale Pflan­zen­wände aus Altholz oder ebenfalls Paletten herge­stellt werden. Wer nicht handwerklich begabt ist, kann natürlich auch auf die verschie­denen Produkte im Handel zurück­greifen. 

Wildtiere und Nützlinge nicht vergessen:

Ein Teil des Minigartens sollte unbedingt auch den in der Stadt lebenden Wildtieren zur Verfügung gestellt werden. Vögel und viele Insek­ten­arten freuen sich über sogenannte Wildbeete, die mit heimi­schen Kräutern und Blumen bepflanzt werden. Die Nützlinge werden sich dankbar zeigen, indem sie die Pflanzen bestäuben und schäd­lingsfrei halten.

Miniteich und Wasser­stelle:

Wer einen Miniteich integrieren will,  kann auf Schüsseln, alte Töpfe oder Tröge zurück­greifen und diese mit heimi­schen Wasser­pflanzen bepflanzen . Bitte auch hier die Nutzlast des Balkons berück­sich­tigen! Der Miniteich bietet neben der schönen Optik Insekten und Vögeln eine Möglichkeit zu trinken. Dies ist wichtig, um die Wildtiere zu unter­stützen und die Arten­vielfalt im urbanen Bereich zu schützen. Wer keinen Platz für einen Miniteich hat, kann auch flache Teller oder Unter­setzer als Tränke zur Verfügung stellen. Diese müssen im Sommer regel­mäßig aufge­füllt werden, da sie austrocknen. Bitte nicht vergessen, den Tieren Steine oder Moos als Ausflugs­mög­lichkeit zur Verfügung zu stellen.

Erde ist nicht gleich Erde:

Wenn alle Objekte ihren Platz gefunden haben, ist es an der Zeit diese mit Gartenerde zu füllen. Bitte hier unbedingt auf torffreie Bio Erde zurück­greifen. Nur so kann man sicher sein, dass dafür keine Moore trocken­gelegt wurden und dass die Erde frei von Pesti­ziden ist. Noch besser als plastik­ver­packte Erde aus dem Baumarkt, wäre lose Bio Erde vom lokalen Hersteller. Wer etwas googelt, kann hier sicherlich den einen oder anderen Anbieter in seiner Nähe finden und die Erde besten­falls dort in mitge­brachten Säcken abholen. Bevor die Erde in die Töpfe kommt, muss noch eine Draina­ge­schicht in alle Pflanz­gefäße. Dafür können Kies, Steine, oder auch Teile von alter zerbro­chener Keramik verwendet werden. Diese Schicht sorgt dafür, dass überschüs­siges Gießwasser abfließen kann und keine Staunässe entsteht.

Misch­kultur und Mulchen — wie die Pflanzen gesund bleiben

Nun kann das Gemüse, je nach Vorliebe und Sorte, als Jungpflanze gesetzt oder auch ausgesät werden. Der Umwelt und der eigenen Gesundheit zuliebe sollte samen­festes Bio-Saatgut verwendet werden. Wer sich außerdem etwas mit Misch­kultur ausein­an­der­setzt, kann die Pflanz­tröge mit unter­schied­lichen Sorten mehrmals im Jahr bepflanzen und rund ums Jahr Essbares vom eigenen Balkon ernten. Um die Pflanzen zu schützen und die Erde stetig mit Futter für die Mikro­or­ga­nismen zu versorgen, sollte das bedecken der Erde mit Mulch­ma­terial nicht vergessen werden. Mulch hält, neben der Dünge­wirkung, die Erde länger feucht und unter­drückt das Wachstum unerwünschter Beikräuter. Als Mulch eignen sich Heu, Blätter, oder auch einfach die unerwünschten Außen­blätter des Gemüses, das ohnehin nicht gegessen wird. Da die Mikro­or­ga­nismen den Mulch nach und nach zersetzen, muss immer wieder neues Material aufge­bracht werden.

Mehrjährige Pflanzen auf kleinem Raum:

Neben einjäh­rigem Gemüse können auch mehrjährige Kräuter‑, Gemüse- oder Obstsorten auf Balkon oder Terrasse Platz finden. Erdbeeren oder auch Johan­nis­beeren am eigenen Balkon sind pflege­leicht und können jedes Jahr aufs Neue geerntet werden. Wenn größere Obstge­hölze am Balkon Platz finden sollen, muss die Größe des Pflanz­ge­fäßes unbedingt an die Größe der Pflanze angepasst und auch hier die Nutzlast des Balkons berück­sichtigt werden.

Gießen — nicht zu viel und nicht zu wenig:

Am Balkon muss erfah­rungs­gemäß mehr gegossen werden als im Hausgarten. Jedoch bitte nicht zu viel des Guten. Der beste Zeitpunkt dafür ist morgens. Dabei werden die Pflänzchen nicht direkt angegossen, sondern nur die Erde rund um die Pflanze. Bei besonders heißen Südbal­konen muss im Sommer wahrscheinlich auch am Abend noch einmal gewässert werden. Einfach kurz mit der Handfläche unter dem Mulch testen, ob die Erde noch feucht oder schon abgetrocknet ist. Wer die Möglichkeit hat, Regen­wasser zu sammeln, sollte dieses zum Gießen verwenden.

Biodünger selbst­ge­macht;  Jauche, Wurmkompost und Bokashi Eimer 

Konven­tio­nelle Dünge­mittel aus dem Baumarkt sind tabu. Wenn gekauft, dann lieber Bio Dünger. Wer die Möglichkeit hat, Pflan­zen­jauchen z.B. Brennes­sel­jauche selbst herzu­stellen, kann diese verwenden. Aber Achtung: Pflan­zen­jauchen stinken extrem und können eventuell die Nachbarn stören! Eine weitere Methode, Dünger selbst herzu­stellen, ist, sich eine Wurmkiste oder einen Bokashi Eimer anzuschaffen. Dabei werden die Bioab­fälle aus dem Haushalt direkt in der Wohnung verkom­pos­tiert und der daraus entstandene Kompost  bzw. der Bokashi Tee kann für die Düngung und Aufzucht der Balkon­pflanzen verwendet werden. Es ist eine win-win Situation. Der Bioabfall muss nicht in der Biotonne entsorgt werden und danach lange Strecken zurück­legen, sondern kann direkt vor Ort kompos­tiert und wieder in den Kreislauf einge­bracht werden.

Für alle die sich tiefer in das Thema einlesen wollen hier ein paar Buchtipps zum Thema: 

  • Handbuch Bio-Balkon­garten: Gemüse und Kräuter auf kleiner Fläche ernten ISBN-:9783800177707
  • Dein fantas­ti­scher Balkon­garten — Ernten bis zum Abheben ISBN 978–3‑7066–2675‑0

Quellen: Vorrangig meine persön­liche Erfahrung und Perma­kul­turkurs sowie folgende Seite:
https://www.geo.de/natur/balkongarten-anlegen–so-wird-der-balkon-ein-pflanzenparadies-31731340.html

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